Interview mit SOS-Mitmensch

Wir haben uns mit Sonja Kittel, zuständig für Kampagnenarbeit, Presse und Office bei der Menschenrechtsorganisation SOS-Mitmensch getroffen, um die Arbeit, die Projekte und Herausforderungen der Organisation besser kennenzulernen.

SOS-Mitmensch setzt sich als Organisation für die Durchsetzung von Menschenrechten, vorwiegend in Österreich, ein. Dabei verfolgt der Verein das Ziel der Gleichberechtigung und Chancengleichheit von allen Menschen, beispielsweise im Bildungs-, Demokratie-, LGBTIQ*- und Asyl- und Fluchtbereich, sowie bei Kinder- und Frauenrechten.

Was genau macht SOS-Mitmensch? Was möchtet ihr erreichen?

Unsere Arbeit kann in vier Bereiche unterteilt werden: Zum einen gibt es den Bereich der „Kontrolle, Intervention and Innovation“. Hierbei beobachten wir die Menschenrechtssituation in Österreich und versuchen bei Fehlentwicklungen zu intervenieren und neue Vorschläge zu entwickeln, um die Menschenrechtssituation zu verbessern. Der zweite Punkt stellt die „Vernetzung/Unterstützung“ dar. In diesem Bereich kümmern wir uns um regionale und internationale Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Der dritte Bereich kann als „Information und Hilfe“ zusammengefasst werden. Gibt es Einzelfälle von Menschenrechtsverletzungen, die für ein großes Gesamtproblem stehen, organisieren wir Diskussionsveranstaltungen und Informationskampagnen. Dadurch wollen wir auf jenes strukturelle Problem aufmerksam machen. Da es auch in Österreich immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt, versuchen wir uns im Rahmen des vierten Punktes „Organisieren von Gegenmacht“ in demokratischen Bereichen miteinzubringen und so auf das unbedingte Einhalten von Menschenrechten aufmerksam zu machen.

Gab es ein bestimmtes Ereignis, welches euch dazu brachte, die Organisation zu gründen?

SOS Mitmensch wurde am 10. Dezember 1992 als Reaktion auf den neu aufkeimenden Rassismus und Fremdenhass in Österreich gegründet. Der SOS Mitmensch wurde am 10. Dezember 1992 als Reaktion auf den neu aufkeimenden Rassismus und Fremdenhass in Österreich gegründet. Der Verein organisierte das Lichtermeer, um dem geplanten Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ etwas entgegenzusetzen. Verschiedenste Gruppen, darunter  Künstler:innen und Gewerkschafter:innen, aber auch Privatpersonen unterstützten die Initiative. SOS-Mitmensch blieb anschließend bestehen und wurde in den letzten 30 Jahren immer weiter ausgebaut und professionalisiert.

Auf welche Erfolge seid ihr besonders stolz?

Eines unserer wichtigsten Projekte ist die sogenannte „Pass Egal Wahl“. Seit 2013 führen wir regelmäßig parallel zu Wahlen, die in Österreich stattfinden (z.B. bei der Nationalratswahl, Präsidentschaftswahl), Pass Egal Wahlen durch. Die Idee einer Pass Egal Wahl besteht darin, Menschen, die nicht wählen gehen dürfen, die Möglichkeit zu bieten, ihre Stimme abzugeben. Das Thema ist uns ein besonderes Anliegen, da es in Österreich schon mehr als 1.2 Millionen Menschen im Wahlalter gibt, die nicht wählen gehen können. Und dass nur weil sie nicht den „richtigen“ Pass besitzen. Momentan weiten wir die Pass Egal Wahlen auch auf Schulen mit Schüler:innen über 16 Jahren aus. Ein weiteres wichtiges Projekt stellt die „Hier geboren Petition“, die schon über 40.000 Menschen unterschrieben haben, dar. Diese Petition sieht vor, dass Menschen, die in Österreich geboren sind und deren Eltern schon über sechs Jahre in Österreich leben, die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Abgesehen von diesen zwei Projekten, ist es uns auch ein wesentliches Anliegen, gut recherchierte und faktenbasierte Berichte zu veröffentlichen. Zum Beispiel haben wir über antimuslimischen Rassismus berichtet und aufgezeigt, dass sich verschiedenste Politiker:innen antimuslimischem Rassismus bedienen. Mehr zu unseren Projekten und Erfolgen findest du hier.

Inwiefern betrifft der Ukraine-Krieg eure Tätigkeiten?

Der Ukraine-Krieg hat auch uns überrascht. Wir haben versucht, schnell zu reagieren und gleich zu Beginn eine Internetseite aufgesetzt. Auf dieser haben wir alle Informationen zusammengetragen, wie man Menschen unterstützen und helfen kann, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Außerdem ist es uns ein wichtiges Anliegen im Rahmen dieses Konfliktes auf die sehr problematische Entwicklung aufmerksam zu machen, zwischen „guten“ und „schlechten“ fliehenden Menschen zu differenzieren.

“Es darf keine Hierarchie zwischen geflüchteten Menschen geben. Das Recht auf Asyl, das Recht auf Leben, das Recht auf Bildung, etc. sollte für alle gleich sein.“

Was wünscht ihr euch von der österreichischen Regierung?

Unter anderem wünschen für uns ein faires Einbürgerungsrecht und einen fairen Zugang zu Wahlen. Auch braucht es endlich bessere Integrationsmaßnahmen für alle Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind. Unter anderem wünschen für uns ein faires Einbürgerungsrecht und einen fairen Zugang zu Wahlen. Auch braucht es endlich bessere Integrationsmaßnahmen für alle Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind. Außerdem fordern wir, dass die Regierung humanitäre Aufnahmeprogramme wieder im Regierungsprogramm verankert. Diese Programme sind in unseren Augen einfach sinnvoll, da den vulnerabelsten Menschen geholfen wird und eine gewisse Planbarkeit für alle Beteiligten gegeben ist. Insgesamt wünschen wir uns von der Regierung einen offeneren Dialog und eine lösungsorientierte Diskussion.

Wie finanziert ihr euch?

SOS-Mitmensch wird durch private Spenden finanziert. Wir bekommen also weder Vereinssubventionen noch andere Förderungen vom Staat. Dadurch können wir unsere Unabhängigkeit garantieren und absichern, was uns extrem wichtig ist. Eine wichtige Einnahmequelle stellt obendrein die jährliche Kunstauktion dar. Künstler:innen unterstützen SOS-Mitmensch mit ihren Werken, die wiederum versteigert werden. Der Gewinn dieses wertvollen Events geht direkt an SOS-Mitmensch. Mehr zur diesjährigen Kunstauktion findest du hier.

Wie kann man euch sonst unterstützen?

Abgesehen von finanzieller Unterstützung freuen wir uns über ehrenamtliche Helfer:innen. Wir haben immer wieder Aktionen, wo wir Freiwillige brauchen, sei es bei Informationskampagnen, bei der Pass Egal, etc. Es gibt außerdem die Möglichkeit, sich bei SOS-Mitmensch im Rahmen eines ehrenamtlichen dreimonatigen Praktikums zu engagieren. Da wir ein kleines Team sind, werden Praktikant:innen immer komplett involviert und bekommen so die Chance, die Arbeit von SOS-Mitmensch kennenzulernen.

Wie grenzt man sich ab, wenn man abschalten will?

Als ich vor gut sechs Jahren bei SOS-Mitmensch angefangen habe, ist es mir schwergefallen, mich in meiner Freizeit thematisch von meiner Arbeit abzugrenzen. Also einfach mal abzuschalten. Ich habe mit der Zeit aber gelernt, mir selbst Grenzen zu setzen. Mir einfach klar vor Augen gehalten, was genau meine Aufgaben sind und wo ich etwas ändern kann. Es ist ein Lernprozess und ich weiß, dass ich während meiner Arbeitszeit mein Bestes gebe und versuche alles hineinzustecken. Außerdem haben wir auch viele Kontakte zu anderen Organisationen, wo wir gegebenenfalls weitervermitteln können.

SOS-Mitmensch (2022). Humanitäre Aufnahme wieder einführen! LEBEN RETTEN. URL: https://www.humanitaere-aufnahme.at/, heruntergeladen am 06.05 Mai 2022.

(THUS, Paulina Matt)

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